Freitag, 2. Mai 2014

Patienten wurde bei Experimenten Malaria gespritzt

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 | 17.41 Uhr
Skandal in Österreich aufgedeckt 
Patienten wurde bei Experimenten Malaria gespritzt
Fünf Fragen zu Syphilis
Fünf Fragen zu SyphilisFOTO: AP, AP

Wien. Es klingt unglaublich: Im Rahmen von Forschungen für ein Heilmittel gegen Syphilis in Österreich soll hunderten Menschen der Malaria verursachende Parasit injiziert worden sein, darunter auch Kinder.
Das teilte eine Expertenkommission am Freitag mit, die Vorwürfe ehemaliger Schutzbefohlener eines staatlichen Waisenhauses nachgeht. Die laufenden Ermittlungen zu dem betreffenden Zeitraum 1951 bis 1969 zeigten, dass 230 Menschen Versuchspersonen des Experiments gewesen seien, zitierte der Rundfunksender ORF den Kommissionsleiter Gernot Heiss. Unter ihnen auch Kinder des Waisenheims.
Die Injektionen hätten in der Regel zwei Wochen andauerndes Fieber von bis zu 42 Grad verursacht. Zudem seien sie für plötzliche Fieberattacken verantwortlich, die bis zu zwei Jahrzehnte andauerten. Ob jemand als Folge der verabreichten Spritzen gestorben sei, wurde nicht bekanntgegeben. Mit dem Fieber sollten die Syphilis-Bakterien abgetötet werden. Diese Methode wurde bis zu den 1940er Jahren allerdings weitgehend durch Behandlungen mit Penicillin ersetzt.
Malaria ist eine potenziell tödliche Krankheit, die meisten Todesopfer sind Kinder unter fünf Jahren. Sie wird durch Parasiten verursacht und in der Regel über infizierte Stechmücken auf Menschen übertragen. Gegen Malaria gibt es kein Impfmittel, die Krankheit kann aber bei rechtzeitiger Diagnose behandelt werden. Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr mehr als 600.000 Menschen daran. Betroffen sind vor allem Kinder in Afrika.
Quelle: ap

Malaria als Therapie: Über 230 Fälle

Malaria Überträger
Bild: (c) EPA 
Kommission gibt erste Zahlen bekannt. Heimkinder waren nicht häufiger betroffen.
  (Die Presse)
Wien. Sie wurden mit Malaria infiziert, damit die Fieberschübe ihre Krankheit heilen, so lauten die Vorwürfe von ehemaligen Kinderheimbewohnern – und brachten damit 2012 Untersuchungen zur Malariatherapie ins Rollen. Seit Anfang 2013 ist die Malariakommission unter der Leitung von Historiker Gernot Heiss tätig. Sie analysiert die Akten der Klinik Hoff, der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie, in der die Therapie angewandt wurde. Im Gespräch mit orf.at nennt Heiss nun Zahlen: So sollen in den (bis jetzt untersuchten) Jahren 1955 bis 1960 rund 230 Menschen mit Malariatherapie behandelt worden sein. „Heimkinder wurden allerdings nicht häufiger als andere Patienten mit Malariatherapie behandelt“, sagt Heiss zur „Presse“. Im Gegenteil: Auf der Kinderstation sei in den untersuchten Jahren kein einziges Kind mit Malariatherapie behandelt worden.
Die Therapie galt, laut Heiss, bis in die 1960er-Jahre als Mittel, um etwa die Progressive Paralyse (eine Spätfolge von Syphilis) einzudämmen. Psychiater Julius Wagner-Jauregg bekam 1927 den Nobelpreis dafür. Für die Therapie wurde in den Patienten durch einen Erreger eine Malaria tertiana (nicht zu verwechseln mit der aggressiveren Malaria tropicana) ausgelöst. Die Therapie wurde mit dem Aufkommen von Penicillin abgelöst. Der Endbericht der Kommission, die sich die Jahre 1951 bis 1969 ansehen will, soll im Frühjahr 2015 fertig sein. (win)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)


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