Die Frösche müssen wieder um ihre Schenkel fürchten, die scharfen Messer der Jäger sind gewetzt - die fangfreie Brutzeit des Lurchen-Volks ist dieser Tage beendet.
Im letzten Jahr mußten Indiens Frösche 2778 Tonnen Schenkel lassen, 16,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Nachfrage kommt vor allem aus Frankreich, Holland und den USA. Doch jetzt will das Gesundheitsministerium in Neu-Delhi den Fang grundsätzlich verbieten.
Zwar wehren sich die Exporteure und das um Devisenerträge besorgte Handelsministerium gegen das Ansinnen der Gesundheitsexperten, aber die haben gute Argumente: Jeder tote Frosch fehlt im Kampf gegen die Malaria.
Die Stechmücken, die den Malaria-Erreger transportieren, sind inzwischen gegen die meisten Bekämpfungsmittel resistent. Immer stärkere Pestizide werden eingesetzt - oft erfolglos.
"95,7 Prozent der indischen Bevölkerung leben in Malaria-Gebieten", ermittelte die Weltgesundheits-Organisation. Allein in den Städten erkrankten im vergangenen Jahr mindestens 1,6 Millionen Inder an Sumpffieber.
Gegen die weitere Ausbreitung dieser Infektionskrankheit, so glauben Ärzte, Wissenschaftler und Gesundheitsbehörden, helfen vor allem Frösche. Ihnen munden nicht nur die Malariamücken, sondern auch die Larven der Moskitos.
"Nur Frösche können uns noch vor dem drohenden Desaster retten", mahnt ein Arzt in Neu-Delhi, der täglich 30 Malaria-Patienten zu behandeln hat. Und G. M. Oza von der "Internationalen Vereinigung zur Erhaltung der Natur" rechnet vor, daß die in einem Jahr getöteten Frösche innerhalb von nur 90 Tagen 810 000 Tonnen Insekten vertilgen würden, hauptsächlich Moskitos und ihre Larven.
Der südindische Staat Andhra Pradesch verbot bereits vor drei Jahren die Jagd auf die nützliche Spezies - ohne sonderlichen Erfolg. Das vormals legale Geschäft blüht heute als illegales weiter. Die Exporteure bestechen Bahn- und Zollpersonal und machen bessere Geschäfte denn je.
Geschockt von den grausamen Fangmethoden, hatte die indische Regierung schon einmal, in den sechziger Jahren, versucht, den Frosch zum "geschützten Tier" zu erklären; ebenfalls vergebens.
So tummeln sich während der Saison, die von August bis November dauert, allnächtlich Zehntausende von Fängern in den zahlreichen Sumpf- und Wassergebieten des Subkontinents, ausgerüstet mit einer Kerosinlampe, einem Sack aus Zelttuch und einem Küchenmesser.
Geblendet vom Licht der Laterne, lassen sich die Tiere leicht greifen. Dann "nimmt man den Frosch in die eine Hand", schilderte Kundschumon, ein erfahrener Jäger, die Schlächterei, "und mit dem Messer in der anderen schneidet man ihm die Hinterbeine ab. Die Schenkel werden sofort auf Eis gelegt, der Rest wird weggeworfen."
Der "Rest" lebt noch stundenlang und stirbt qualvoll. "Wenn ich die Frösche vorher töten müßte", entschuldigt sich Kundschumon, "dann hätte ich nachher kaum etwas im Sack." Jede Nacht sammelt er 200 bis 300 Froschschenkelpaare, die er für 15 Rupien das Kilo verkauft.
Da die Bestände der Insektenvertilger in vielen Gebieten schon weitgehend dezimiert sind, "müssen wir immer tiefer in die Reisfelder eindringen", beschreibt Kundschumon die Folgen der intensiven Jagd.
Während die Frösche immer weniger werden, nimmt die Zahl der schädlichen Insekten alarmierend zu. Besonders die "Mundscha", eine kleine, grüne, reisnagende Fliege, so klagen die Bauern, sei zu einer wahren Geißel geworden.
http://www.welt.de/print-wams/article121192/Asiaten-quaelen-Froesche-fuer-Export-nach-Deutschland.html
Asiaten quälen Frösche für Export nach Deutschland
Tieren werden bei lebendigem Leib die Beine ausgerissen - Exzessiver Fang führt zu Mückenplage in Bangladesch und IndienVon Julia Winkenbach
Die kleinen Keulen sehen gut aus. Knusprig gebraten, mit Petersilie und Knoblauch, ist das feine, weiße Fleisch eine echte Delikatesse. Und die Zeiten, in denen es zum guten Ton gehörte, Froschschenkel in Restaurants zu boykottieren, sind doch auch schon lange vorbei. Froschschenkel sind wieder schick. Das beweisen Speisekarten in allen Gegenden Deutschlands, und das beweisen vor allem die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Im Jahr 1999 wurden laut Außenhandelsstatistik 5,4 Tonnen hauptsächlich gefrorener Froschschenkel von Deutschland importiert. Im Jahr 2001 waren es schon 17 Tonnen. Mehr als die dreifache Menge (für 2002 liegen noch keine Zahlen vor). Dafür wurden weit über einer Million Tiere bei lebendigem Leib die Haut abgezogen und die Schenkel abgeschnitten oder -gerissen. Das Bewusstsein der Verbraucher dafür ist allerdings gering, schließlich sterben die Frösche nicht in Deutschland oder Europa.
"Europäische Frösche gelten laut Bundesartenschutzabkommen als geschützte Arten und dürfen nicht für kommerzielle Zwecke gezüchtet oder gefangen werden," erklärt Dietrich Jelden, Abteilungsleiter im Bundesamt für Naturschutz. Die Tiere, die auf unseren Tellern landen, stammen zu 90 Prozent aus dem südostasiatischen Raum, denn dort ist die Population großer, essbarer Frösche besonders groß. Allein Indonesien exportiert weltweit mehrere hundert Tonnen Froschfleisch pro Jahr.
Problematisch ist bei dieser Menge vor allem die unkontrollierte Beschaffung der Tiere aus der Natur. "Nur eine einzige Froschart, nämlich der amerikanische Ochsenfrosch, kann gezüchtet werden", erklärt Michael Veith, Hochschuldozent beim Institut für Zoologie an der Universität Mainz. Alle anderen gehen in Gefangenschaft ein und werden daher direkt in Sümpfen gefangen. Der Großteil der Frösche für den europäischen Markt ist also Wildfang. Bei einem Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz stellte Veith fest: "Auch wenn die Händler das Froschfleisch als Fleisch von Tieren aus Zuchtfarmen deklarierten, handelte es sich fast immer um Wildarten. Das, was auf den Verpackungen draufsteht, kann man also grundsätzlich vergessen." Folglich habe die indonesische Regierung keinerlei Überblick, welche Arten entnommen werden und inwieweit die Nutzung ein schädliches Ausmaß erreicht, bekräftigt Harald Martens vom Bundesamt für Naturschutz.
In Indien und Bangladesh dezimierte der maßlose Froschfang die Population der einheimischen Frösche so, dass eine Mückenplage entstand, die ihrerseits dazu beitrug, dass sich Malaria ausbreiten konnte. Um den Mangel an Fröschen als natürliche Insektenvertilger auszugleichen, wurden auf asiatischen Reisfeldern Umweltgifte wie DDT und andere Pestizide verwendet, die in Deutschland schon lange nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Mittlerweile gibt es in Indien und Bangladesh Ausfuhrverbote für Frösche.
Auch China reagierte auf den schwindenden Bestand einheimischer Tiere. Als im Jahr 2001 die Angst der Europäer vor dem Rinderwahn die Nachfrage nach Fröschen so stark erhöhte, dass das ökologische Gleichgewicht in der nordchinesischen Provinz Hebei in Gefahr geriet, verhängte die Regierung Verkaufs- und Exportverbot für Froschprodukte.
Die indonesische Regierung scheint zu diesem Schritt noch nicht bereit, obwohl auch dort mit "den gleichen Folgen zu rechnen ist", so Harald Martens. Wissenschaftler Michael Veith von der Universität Mainz konnte schon 1995 bei einem Besuch in Indonesien beobachten, "dass im näheren Bereich von Siedlungen keine großen Frösche mehr zu finden waren".
Deutsche Tierschützer indes kritisieren nicht nur die Menge der gefangenen Frösche, sondern vor allem die Art der Tötung. Froschfänger in Indonesien blenden die Tiere mit einer Taschenlampe und fangen sie mit einem Kescher ein. In einem Sack werden hunderte Frösche stundenlang bis in das nächste Dorf getragen. Dort ritzen die Jäger ihnen die Haut am Kopf ein und häuten sie. "Oftmals werden dann den Tieren bei vollem Bewusstsein die Beine abgerissen", erklärt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel. "Der lebende Abfall wird einfach weggeworfen", fügt Christina Sultan, Präsidentin des Tierschutzvereins Arche 2000 hinzu. "Angesichts dieser Tatsachen und unserer Beobachtungen, dass Froschenkel zurzeit sogar in Essständen auf Jahrmärkten und Kirmesveranstaltungen ein trauriges Comeback feiern, kann man nur wünschen, dass der Konsum und Handel von Fröschen durch den Gesetzgeber unterbunden wird", so Sultan weiter.
Doch dem Bundesamt für Naturschutz sind die Hände gebunden. "Alles, was wir jetzt an Schutzmaßnahmen ergreifen können, müssen wir mit allen anderen EU-Ländern absprechen", sagt Harald Martens. Deshalb musste sich Deutschland, das nach nationalem Recht ein Einfuhrverbot für Frösche durchgesetzt hatte, 1997 Brüssel beugen und die Einfuhr wieder genehmigen. Denn Europarecht steht vor nationalem Recht. "Damals haben wir einen Schutz aller Froscharten vorgeschlagen", so Martens, "aber das haben die anderen Länder, vor allem Frankreich und Belgien, abgelehnt." Also wird sich vorerst nichts an den brutalen Methoden und verheerendem Ausmaß des Froschfangs ändern. Denn die Nachfrage aus Europa ist gesichert. Bedenken über Froschschenkel seien zurzeit einfach in Vergessenheit geraten.
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