Aus Indien? "Sie dürfen kein Blut spenden"
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Aus Indien? "Sie dürfen kein Blut spenden"
"Man denkt ja immer, man tut etwas Gutes", sagt Amela Stadter. Umso größer war ihr Erstaunen, als sie bei der Blutspende abgewiesen wurde - weil sie in Indien geboren wurde und somit verdächtig ist, unerkannt mit Malaria infiziert zu sein. Symbolfoto: dpa |
Von Sören S. Sgries
Heidelberg. Es war nur eine kleine Meldung aus Israel, diese aber irritierte. "Schwarze darf kein Blut spenden", hieß es da. Die 32-jährige Knesset-Abgeordnete Pnina Tamano-Schata wurde von Rot-Kreuz-Helfern abgewiesen. Bei Recherchen stellte die gebürtige Äthiopierin fest: Laut Richtlinien des Gesundheitsministeriums müssen Blutspenden von in Afrika geborenen Menschen grundsätzlich abgelehnt werden - wegen des pauschalen Verdachts auf Malaria- oder Aids-Infektionen. Ministerpräsident Netanjahu forderte umgehend Änderungen.
"Ich kann mir ganz gut die Reaktionen vorstellen, wenn sich dieser Fall bei uns in Deutschland ereignet hätte", heißt es in einem Leserbrief an die RNZ dazu. Uwe Stadter kann darüber nur den Kopf schütteln. "Das gibt es auch in Deutschland", sagt er, "ich habe es selbst erlebt". Vor drei Jahren kam Stadter, langjähriger Blutspender, mit seiner indischstämmigen Adoptivtochter Amela zum DRK-Blutspendedienst in Wiesloch. "Sie hatte vor Jahren eine Operation und wollte jetzt etwas zurückgeben", erinnert sich Stadter. Sie wurde abgewiesen. "Damals war das für uns okay", sagt er, "aber jetzt..." Die Meldung aus Israel hat Erinnerungen geweckt.
Auch Tochter Amela, heute 35, ist der Vorfall noch präsent. Sie wurde in Bangalore geboren und gab das bei der Voruntersuchung an. "Eine Ärztin kam und suchte Bangalore auf einer Karte", erzählt sie. "Indien war rot eingezeichnet". Malaria-Risiko: Blutspenden von Menschen, die hier geboren wurden, werden nicht angenommen. Auf Lebenszeit. So die Auskunft.
"Ich war enttäuscht", sagt Amela Stadter, "man denkt ja immer, man tut etwas Gutes." So ganz nachvollziehen kann sie die Entscheidung bis heute nicht. Mit elf Monaten kam sie nach Deutschland, lebte hier jahrzehntelang, ohne Malariaausbrüche: Kann da ein dauerhafter Ausschluss wirklich gerechtfertigt sein? "Ich darf doch auch Organe spenden und bin als Knochenmarkspenderin registriert!".
Laut den offiziellen Regelungen, gültig seit Juli 2010, müsste Amelia Stadter zumindest heute spenden dürfen, trotz ihrer Herkunft. Formuliert wird das in den "Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten", aufgestellt von Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut, der zuständigen Bundesbehörde. Grundlage ist das Transfusionsgesetz.
Ein dauerhaftes Blutspende-"Verbot" ist durchaus vorgesehen: etwa für HIV-Infizierte, bei Herzerkrankungen, für Prostituierte oder - immer wieder in der Diskussion - für homosexuelle Männer. Nicht jedoch für "Personen, die in einem Malaria-Endemiegebiet geboren oder aufgewachsen sind". Für sie wird nur eine zeitlich begrenzte Rückstellung vorgesehen, für "vier Jahre nach Verlassen der Endemieregion". Anschließend muss durch eine "qualitätsgesicherte Labordiagnostik festgestellt werden, dass kein Anhalt für Infektiosität besteht". Im Klartext: Labortest - und die Blutspende ist möglich.
Ginge Amelia Stadter also heute nach Wiesloch, Heidelberg oder Mannheim zur Blutspende - und liefe dann alles glatt? Nein, sagt Michael Müller-Steinhardt, Facharzt für Transfusionsmedizin am Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie Mannheim. Für den "DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen" ist er einer der medizinischen Verantwortlichen. Und er plädiert weiterhin für den dauerhaften Ausschluss. "Im Sinne des Empfängerschutzes", sagt er, "für uns steht die Sicherheit im Vordergrund." Malaria, so erklärt er, könne auch nach Jahrzehnten noch übertragen werden - auch, wenn der Spender nichts von einer Infektion wisse. Die vorgesehenen Tests sind dem Mediziner nicht sicher genug, er spricht von "labortechnischen Problemen".
Benachbarte Spendedienste, etwa in Rheinland-Pfalz oder dem Saarland, vertrauen jedoch auf diese Untersuchungen. Blutproben werden nach Hamburg geschickt, zum Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. 20 bis 30 solcher Aufträge werden pro Woche bearbeitet. Kosten: 80 bis 100 Euro. Die "verwendeten Verfahren sind die sensitivsten, die es gibt", heißt es dort, dies gelte auch für die Malariadiagnostik. Gleichwohl sei das Vorkommen eines Erregers nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich.
"Aus unserer Sicht nicht ausreichend", beharrt Eberhard Weck, Marketingleiter des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg. "Die Richtlinien geben das Minimum vor, aber wir gehen das Risiko nicht ein". Bei dieser "konservativen Auslegung der Kriterien" werde es wohl auch bleiben. Weck betont aber: "Es gibt überhaupt keine Ressentiments gegenüber einem bestimmten Personenkreis, uns geht es nur um die Sicherheit der Blutkonserven."
Und wie sieht es mit der Knochenmarkspende aus, für die Amelia Stadter registriert ist? "Zunächst ist eine solche Meldung unverbindlich, ohne große Diagnostik", erläutert Müller-Steinhardt. Erst, wenn wirklich eine Spende gebraucht werde, steht die Untersuchung an. "Dann geht es um Risikoabwägung", so der Arzt - wenn sehr spezielle Gewebemerkmale gebraucht werden, könne auch ein Spender mit Malaria-Risiko gefragt sein. Bei der Blutspende aber, "da haben wir den Luxus, dass wir andere Blutprodukte zur Verfügung haben, die diese Risiken nicht tragen".
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