Heilerkongress
in Kassel
"Wundermittel"
sorgt für Unfrieden
Alternative Heilmethoden ins Licht
rücken möchte der Kongress "Spirit of Health".
Längst warnen Behörden vor dem
angeblichen Wunderheilmittel MMS. Doch auf einem Kongress in Kassel darf ein
selbsternannter Heiler ungehindert Werbung für den giftigen Stoff machen. Die
Stadt steht in der Kritik und räumt Versäumnisse ein.
Von Stephan Loichinger, hr-online
Am Freitag beginnt im Kasseler Kongress Palais der dreitägige Kongress "Spirit of Health". In 15 Vorträgen und an rund 50 Ausstellerständen geht es laut Programm um "Alternative Medizin in der Praxis", "Krebstherapie mit Natriumbicarbonat", "Selbstheilung von Krebs mit Naturheilmitteln" oder "Alternative Behandlung in der Tierheilkunde". Schon vor Beginn der Veranstaltung üben der Deutsche Konsumentenbund und die Landtagsfraktion der Linken Kritik daran: auch am geplanten Referat über Backpulver-Injektionen zur Krebsbehandlung, vor allem aber am Programmpunkt "Behandlungerfolge & Eigentherapie mit Chlordioxid".
Dahinter verbergen sich die umstrittenen "Miracle Mineral Supplement"-Produkte. Die unter dem Kürzel MMS geläufigen Präparate werden als Wundermittel gegen Krebs, Malaria, Autismus und chronische Infektionen gepriesen. Dabei ist Chlordioxid nach Auskunft des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) giftig. Es werde zum Bleichen von Papier und zur Desinfektion von Wasser eingesetzt. Wer es einnehme oder anwende, riskiere Verätzungen der Speiseröhre oder der Haut, Durchfall, Nierenversagen, Atemstörungen und schwere Augenschäden.
Am Freitag beginnt im Kasseler Kongress Palais der dreitägige Kongress "Spirit of Health". In 15 Vorträgen und an rund 50 Ausstellerständen geht es laut Programm um "Alternative Medizin in der Praxis", "Krebstherapie mit Natriumbicarbonat", "Selbstheilung von Krebs mit Naturheilmitteln" oder "Alternative Behandlung in der Tierheilkunde". Schon vor Beginn der Veranstaltung üben der Deutsche Konsumentenbund und die Landtagsfraktion der Linken Kritik daran: auch am geplanten Referat über Backpulver-Injektionen zur Krebsbehandlung, vor allem aber am Programmpunkt "Behandlungerfolge & Eigentherapie mit Chlordioxid".
Dahinter verbergen sich die umstrittenen "Miracle Mineral Supplement"-Produkte. Die unter dem Kürzel MMS geläufigen Präparate werden als Wundermittel gegen Krebs, Malaria, Autismus und chronische Infektionen gepriesen. Dabei ist Chlordioxid nach Auskunft des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) giftig. Es werde zum Bleichen von Papier und zur Desinfektion von Wasser eingesetzt. Wer es einnehme oder anwende, riskiere Verätzungen der Speiseröhre oder der Haut, Durchfall, Nierenversagen, Atemstörungen und schwere Augenschäden.
MMS wird im Internet oft als Set
aus Natriumchlorit und Zitronensäure zum Selbstmischen angeboten.
Das BfArM hat zwei MMS-Präparate
als zulassungspflichtig und bedenklich eingestuft. Sie seien vermutlich
gesundheitsschädlich. Andreas Kalcker, Referent über die Chlordioxid-Therapie
beim Heiler-Kongress in Kassel, beschreibt das Gas auf seiner Homepage jedoch
als "ein hoch wirksames Desinfektionsmittel, welches selektiv viele
Krankheitserreger im Körper eliminiert, wobei es unterscheidet zwischen
gesunden Zellen und Bakterien". Wer dahinter Chlorbleiche vermute, sitze
wie "einige stümperhafte Zeitungsartikel" einer Verwechslung auf.
Vermutlich wird Kalcker diese Botschaft auch am Samstag im Kasseler Kongress Palais verbreiten. Die Stadt Kassel, über ihre Marketingtochter Vermieterin des Veranstaltungsorts, sieht sich außerstande, ihn daran zu hindern. Obwohl es laut BfArM zahlreiche Berichte über Gesundheitsschäden nach der Einnahme von MMS gibt. Und obwohl das Gesundheitsamt Kassel wie auch das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt vor den Gefahren von MMS warnen.
Vermutlich wird Kalcker diese Botschaft auch am Samstag im Kasseler Kongress Palais verbreiten. Die Stadt Kassel, über ihre Marketingtochter Vermieterin des Veranstaltungsorts, sieht sich außerstande, ihn daran zu hindern. Obwohl es laut BfArM zahlreiche Berichte über Gesundheitsschäden nach der Einnahme von MMS gibt. Und obwohl das Gesundheitsamt Kassel wie auch das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt vor den Gefahren von MMS warnen.
Ingo Happel-Emrich, Sprecher der
Stadt Kassel, teilt mit, sollten gesundheitsgefährdende, nicht zugelassene
Medikamente beworben werden, "ist das selbstverständlich nicht im Sinne
von Kassel Marketing". Es gebe aber keine rechtliche Möglichkeit und
keinen Anlass, den Mietvertrag zu kündigen. Für die Einhaltung des
Heilmittelwerbegesetzes sei das RP Darmstadt zuständig.
Ein Versäumnis der Stadt räumt Happel-Emrich im Gespräch mit hr-online freilich ein: "Bei Abschluss des Mietvertrags im vergangenen Jahr waren uns MMS und 'Spirit of Health' kein Begriff." Dabei informierte sich Kassel Marketing bei ihrem Pendant in Hannover, wo 2014 ebenfalls unter Protest der bislang einzige "Spirit of Health"-Kongress in Deutschland stattfand. Über Inhalte des Kongresses habe man sich jedoch nicht erkundigt, nur über die Zahlungsmoral des Veranstalters und ähnliches, berichtet Happel-Emrich.
Ein Versäumnis der Stadt räumt Happel-Emrich im Gespräch mit hr-online freilich ein: "Bei Abschluss des Mietvertrags im vergangenen Jahr waren uns MMS und 'Spirit of Health' kein Begriff." Dabei informierte sich Kassel Marketing bei ihrem Pendant in Hannover, wo 2014 ebenfalls unter Protest der bislang einzige "Spirit of Health"-Kongress in Deutschland stattfand. Über Inhalte des Kongresses habe man sich jedoch nicht erkundigt, nur über die Zahlungsmoral des Veranstalters und ähnliches, berichtet Happel-Emrich.
Information
Natriumchlorit
Natriumchlorit (NaClO2) ist das
Natriumsalz der Chlorigen Säure und giftig. Es wird zum Papierbleichen und als
Desinfektionsmittel zur Wasseraufbereitung eingesetzt. Es ist nicht zu
verwechseln mit dem fast gleichnamigen, aber harmlosen Natriumchlorid (NaCl),
was schlicht Kochsalz bezeichnet.
Das Regierungspräsidium erläutert,
das Heilmittelwerbegesetz erlaube ihm nicht, eine Veranstaltung zu verhindern.
Das RP könne Verstöße nur anschließend ahnden. Ein Verstoß liege dann vor, wenn
für ein bestimmtes MMS-Produkt geworben werde. Berichte jemand lediglich von
der Heilwirkung einer Kombination aus Natriumchlorit und Zitronensäure, den
Bestandteilen von Chlordioxid beziehungsweise MMS, sei dies eine
wissenschaftliche Information oder eine freie Meinungsäußerung.
"Allerdings könnte hierin unter Umständen eine Anstiftung zur
Körperverletzung zu sehen sein", so das RP.
Ob das Regierungspräsidium Beobachter zum umstrittenen Heiler-Kongress schickt, dazu will ein Sprecher der Behörde keine Auskunft geben. Für die Stadt Kassel sollen Mitarbeiter des Ordnungs- und des Gesundheitsamts vor Ort zuhören.
Ob das Regierungspräsidium Beobachter zum umstrittenen Heiler-Kongress schickt, dazu will ein Sprecher der Behörde keine Auskunft geben. Für die Stadt Kassel sollen Mitarbeiter des Ordnungs- und des Gesundheitsamts vor Ort zuhören.
Nicht nur die
Linken-Landtagsabgeordnete Marjana Schott findet es "unverantwortlich,
dass die Behörden kein Verbot dieser Veranstaltung und des Verkaufs der
schädlichen Mittel durchsetzten". Schließlich seien in anderen Städten
bereits Mietverträge mit den Kongress-Veranstaltern gekündigt worden.
Davon berichtet auch Guido Bockamp vom Deutschen Konsumentenbund: In Irland, Großbritannien und Holland seien "Spirit of Health" Tagungsorte verweigert oder wieder abgesagt worden. "Wenn die Stadt Kassel sagt, das gehe nicht, ist das ein Scheinargument." Anscheinend scheue die Stadt Schadenersatzforderungen. In Bockamps Augen gewichtet die Stadt damit falsch. Die bei diesem "bunten Panoptikum des Wahnsinns" empfohlenen Heilmethoden seien teils lebensbedrohlich und würden auch an Kindern angewandt.
Der Konsumentenbund wirbt seinerseits für ein "Bündnis gegen Pseudomedizin und Quacksalberei zum Schaden von Kindern" und will an den drei "Spirit of Health"-Tagen vor dem Kasseler Kongress Palais Stellung beziehen. Besucher und Passanten sollen sich dort über die umstrittenen Heiler informieren können. Zudem sind mehrere Demonstrationen geplant.
Davon berichtet auch Guido Bockamp vom Deutschen Konsumentenbund: In Irland, Großbritannien und Holland seien "Spirit of Health" Tagungsorte verweigert oder wieder abgesagt worden. "Wenn die Stadt Kassel sagt, das gehe nicht, ist das ein Scheinargument." Anscheinend scheue die Stadt Schadenersatzforderungen. In Bockamps Augen gewichtet die Stadt damit falsch. Die bei diesem "bunten Panoptikum des Wahnsinns" empfohlenen Heilmethoden seien teils lebensbedrohlich und würden auch an Kindern angewandt.
Der Konsumentenbund wirbt seinerseits für ein "Bündnis gegen Pseudomedizin und Quacksalberei zum Schaden von Kindern" und will an den drei "Spirit of Health"-Tagen vor dem Kasseler Kongress Palais Stellung beziehen. Besucher und Passanten sollen sich dort über die umstrittenen Heiler informieren können. Zudem sind mehrere Demonstrationen geplant.
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