Wie
Sauerstoffradikale vor schwerer Malaria schützen können
15.11.2016
Wissenschaftlern am Universitätsklinikum
Heidelberg und am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ist es
gelungen, die Schutzmechanismen vor schwerer Malaria aufzuklären und gezielt in
Gang zu setzen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei offensichtlich
Sauerstoffradikale in den roten Blutzellen: Durch einen höheren Anteil an
diesen aggressiven Molekülen konnten die Wissenschaftler in Mäusen die
Entwicklung einer schweren Malaria bremsen.
Bei der schweren Malaria, ausgelöst
durch den Parasiten Plasmodium falciparum, kommt es zu gefährlichen
Durchblutungsstörungen und neurologischen Komplikationen. Die Malaria-Parasiten
(Plasmodien) gelangen über den Stich einer infizierten Anopheles-Mücke in den
Menschen, wo sie sich zunächst in den Leberzellen vermehren und dann die roten
Blutkörperchen befallen. In diesen Zellen vermehren sie sich erneut und
zerstören sie schließlich.
Malaria wird durch den Stich einer
infizierten Anopheles-Mücke übertragen.
cdc/James Gathany
Das Aufplatzen der Blutzellen verursacht
die charakteristischen Fieberschübe und die Blutarmut. Die neurologischen
Komplikationen bei schwerer Malaria, wie Lähmungen, Krämpfe und schwere
Gehirnschäden, kommen dadurch zustande, dass der Erreger spezielle Haftproteine
ausbildet, die dafür sorgen, dass die roten Blutkörperchen an den Gefäßwänden
haften bleiben und nicht aus dem Verkehr gezogen werden können. Eigens dafür
etabliert der Parasit ein Transportsystem in der Blutzelle. Die Folge: Kleinere
Blutgefäße verschließen und entzünden sich, Teile des Nervensystems werden
nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt.
Die Rolle von Hämoglobinen bei schwerer
Malaria
„Diese
Fähigkeit der Parasiten, die roten Blutkörperchen an die Gefäßwände anzuheften,
ist ein Schlüsselmechanismus der schweren Malaria“, erklärt Prof. Dr. Michael
Lanzer, DZIF-Wissenschaftler am Universitätsklinikum Heidelberg. Bereits 2011
konnte Lanzers Arbeitsgruppe diesen Mechanismus grundlegend aufklären.
Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass Patienten mit der in Afrika häufigen
Sichelzellanämie keine schwere Malaria entwickelten.
Damit hatten die Forscher den
Hinweis, dass die für diese Krankheit charakteristische erbliche Veränderung
des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin eine Rolle spielen könnte. In ihren
Versuchen zeigten die Heidelberger Forscher, dass ein Abbauprodukt des
Hämoglobins, das sog. Ferryl-Hämoglobin, den Transport der speziellen
Haftproteine stört und damit letztlich auch die Bindung der roten
Blutkörperchen an die Gefäßwände.
Ferryl-Hämoglobin ist ein
irreversibel geschädigtes, chemisch verändertes Hämoglobin, das keinen
Sauerstoff mehr binden kann. Es wird bei der Sichelzellanämie in größerer Menge
gebildet, weil die dort vorkommenden Hämoglobin-Varianten weniger stabil sind.
Sauerstoffradikale
können den Schutzmechanismus auslösen
„Uns interessierte nun
natürlich, ob und wie man diesen Schutzmechanismus künstlich auslösen kann“,
erklärt Lanzer. In ihrer aktuellen Studie zeigen die Forscher, dass aggressive
Sauerstoffmoleküle, auch bekannt als Sauerstoffradikale, eine entscheidende
Rolle in diesen Prozessen spielen. Sie behandelten Mäuse vor einer Infektion
mit dem Nahrungsergänzungsmittel Menadion, das zur Bildung von
Sauerstoffradikalen führt.
Die Folge: Die Entwicklung der
schweren Malaria wurde abgeschwächt. „Offenbar kann ein Überschuss an
Sauerstoffradikalen in den infizierten Zellen auch das stabilere Hämoglobin
schädigen; in der Folge entsteht das Abbauprodukt Ferryl-Hämoglobin, das die
beschriebene Schutzwirkung vor schwerer Malaria auslöst“, erklärt Lanzer. Damit
ähnelt Menadion in seiner Wirkweise der des Sichelzellhämoglobins.
Konsequenzen für die
medizinische Forschung
Diese neue Erkenntnis hat
Konsequenzen für die Entwicklung von Präventionsstrategien. „Es könnte möglich
sein, auf dieser Basis einen Wirkstoff zu entwickeln, der die Erythrozyten so
verändert, dass ein Transport der Haftproteine an die Gefäßwände und die
anschließende Festsetzung der Erythrozyten mit den bekannten fatalen Folgen
ausbleibt“, hofft Lanzer. Die ersten Studien dazu wurden auch von der Bill und
Melinda Gates Stiftung unterstützt.
Publikation
Cyrklaff M et al
Oxidative insult can induce malaria-protective trait of sickle and foetal erythrocytes
Nature Communications 7:13401 (2016). Doi: 10.1038/NCOMMS13401
Cyrklaff M et al
Oxidative insult can induce malaria-protective trait of sickle and foetal erythrocytes
Nature Communications 7:13401 (2016). Doi: 10.1038/NCOMMS13401
Mehr zum Mechanismus finden Sie
hier:
Cyrklaff M et al: Hemoglobins S and C interfere with Actin Remodeling in Plasmodium falciparum-Infected Erythrocytes:
In: Science 2011. DOI: 10.1126/science.1213775
Cyrklaff M et al: Hemoglobins S and C interfere with Actin Remodeling in Plasmodium falciparum-Infected Erythrocytes:
In: Science 2011. DOI: 10.1126/science.1213775